Killerargumente

Auf der Heimfahrt von einem Termin ist mir letztens durch den Kopf gegangen, dass in vielen Diskussionen immer wieder die gleichen Killer-Argumente kommen. Totschlag-Argumente, die oftmals von einer sachlichen Diskussion ablenken.

Die Wikipedia definiert ein „Killerargument“ als „… ein Scheinargument, das anstelle eines Argumentum ad veritatem vorgebracht wird, um die Aufmerksamkeit des Diskussionsgegners bzw. des Publikums vom Kern des Themas auf einen irrelevanten Nebenaspekt abzulenken. Es erscheint im Gewand der apodiktischen Aussage, dass das vom Diskussionsgegner Behauptete bzw. Geforderte ganz und gar indiskutabel sei.

Argument 1: „für den Sportler“ entscheiden.“

Im Strafrecht gibt es den Grundsatz: „in dubio pro reo“ – im Zweifel für den Angeklagten. Den Grundsatz gibt es im Strafrecht, aber nicht im Steuerrecht, nicht im Zivilrecht etc.

In unserem Regelwerk gibt es einen ähnlichen Satz, „Im Zweifelsfall ist zu Gunsten des Wettkämpfers zu entscheiden.“ an genau einer Stelle, nämlich unter 1.10.6.7. Dort geht es um die Bewertung einer Befahrung. Und nur dort gilt dieser Grundsatz. In allen anderen Fällen – sei es Fehler bei den Startunterlagen, Auffälligkeiten bei der Kontrolle von Boot und Schwimmhilfe nach einem Lauf, Verpassen des Starts etc. gilt dieser Grundsatz eben nicht. Dort kann es Abwägungs- und Auslegungsmöglichkeiten geben. Zum Beispiel: „ihm [dem Hauptschiedsrichter] obliegt die Auslegung der Wettkampfbestimmungen“ (1.5.4.1), „der Hauptschiedsrichter kann … einzelne Sportler neu starten lassen“ etc. oder „Die Jury trifft Entscheidungen zu allen Fragen, die während eines Wettkampfes auftreten und nicht von den Wettkampfregeln abgedeckt sind.“ (WR 1.5.3.5).

Aber anscheinend sind einige Leute der Meinung, man müsse immer „für den Sportler“ entscheiden. Das sind dann meist diejenigen, die sich in ihrer Funktion für „den Sportler“ einsetzen und die dann mit diesem Killer-Argument kommen. Aber “für den Sportler” – also für den Einzelnen – heißt auch “gegen alle anderen”. Als Entscheider, egal ob Jury, Hauptschiedsrichter oder Ressortleiter muss man aber – und das habe ich schon sehr oft geschrieben – abwägen zwischen dem Einzelnen und allen anderen. Und man muss die Konsequenzen, die eine Entscheidung hat, berücksichtigen. Und da kann die Welt anders aussehen.

Argument 2: „im Sinne des Sports“:

Noch so eine Killer-Phrase, die ich immer mal wieder höre. Google findet zu diesem Begriff mehr als 130.000 Fundstellen im Internet. Aber nirgendwo steht, was damit eigentlich gemeint ist. Da liest man, dass eine Disqualifikation nicht im Sinne des Sports gewesen sein. Im Sinne des Sports soll es auch sein – wenn man mal auf die weltpolitische Bühne des Sports schaut – wenn Russland wg. Staatsdoping von der Teilnahme an hochrangigen internationalen Wettkämpfen ausgeschlossen wird und russische Einzelsportler unter neutraler Flagge teilnehmen dürfen. Oder wenn eine Sportanlage trotz Bedenken gebaut werden soll. Kurzum, man kann diesen Terminus in allen Angelegenheiten einsetzen, die mit dem Sport zu tun haben. Und wie immer, gibt es da eindeutige Fälle, aber auch Abstufungen. Die Welt ist halt nicht nur schwarz und weiß, sondern es gibt auch Graustufen.

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